Die Gelegenheit am Schopf packen

Der Kairos – Moment

 

Carl Orff: Die Kluge (Oper)
„Gelegenheit, Gelegenheit! Du musst Gelegenheit am Stirnhaar packen sonst weist sie einem leicht den Hintern“

 

Es schneit in dicken Flocken. Seit Jahren gab es hier keine weißen Weihnachten. Der Wald, in dem die beiden Mützlinge wohnen liegt nicht sehr hoch. Vielleicht in einer Seehöhe von 600 bis 700 Metern. In den letzten Tagen gab es nur immer wieder Regen, in welchen sich ein paar traurige Schneeflocken verirrt hatten. Heute aber, ja heute schneit es richtig. Auf der Lichtung, die sie vom Küchenfenster aus im Blick haben hat sich schon eine wunderbare weiße Schneedecke gebildet.

 

Version 1: Die Gelegenheit beim Schopf gepackt

Hektisch sucht Blaumütz seine warmen Stiefel und die blauen Fäustlinge. Rotmütz hat seit Tagen seine warmen Sachen schon bereit. Wie zwei Verrückte stürmen sie zur Tür hinaus. Die Freude ist riesig. Wie sehr haben sie darauf gewartet im „weißen Dreck“ herumzutollen. Ja, so hat ihr griesgrämiger Onkel Thomas den Schnee immer genannt, wenn er ihn vor seiner Haustüre wegschieben musste. Für die beiden Zwerge reicht der kleine Mugel eines zugeschneiten Baumstumpfes für ihre Rutschabenteuer. Alte Blätter und Rindenstücke genügen ihnen als Rodel. Mit einem kleinen Stück des Plastiksacks, den Menschen im Wald liegengelassen haben funktioniert es besonders gut. Der Ärger, den sie über diesen Müll hatten ist auf der Stelle verflogen. Jede Menge Elfen- und Zwergenfreunde kommen dazu, angelockt von dem fröhlichen Lachen und Juchzen der Mützlinge. Die Tiere, die nicht gerade tief und fest schlafen, schauen dem Treiben aus sicherer Entfernung zu und schütteln verwundert ihre Köpfe.

Mit glühenden Wangen, patschnass bis auf die Haut, aber überglücklich stolpern sie bei Einbruch der Dunkelheit zurück in ihr Häuschen. Mit trockenen Kleidern und einer warmen Suppe sind die spindeldürren Zwergenkörper bald wieder fein gewärmt.

 

 

Version 2: andere Strategie…

„Vielleicht sollten wir uns eine Rodel bauen. Ich hab noch Holz übrig vom Tisch, den ich im Sommer gebaut habe.“ meint Rotmütz. „Keine schlechte Idee. Ich könnte eine Auflage filzen. Aber bist du sicher, dass du genug Holz hast und dass es für eine Rodel geeignet ist?“ Blaumütz holt das DIY- Buch vom Dachboden um nachzuschauen. Er sucht und sucht ohne eine Anleitung zum Bau einer Rodel zu finden. Er erinnert sich an die Geräte, die die Menschenkinder oft den Berg hinaufschleppen um dann darauf ins Tal zu rasen. Er denkt darüber nach und schaut wieder aus dem Fenster. „Schneeflocken – Schnee, wie schön! Wie lange haben wir darauf gewartet. Jetzt haben wir aber keine Zeit dafür. Wir müssen an der Konstruktion unserer Rodel arbeiten.“

 

Am nächsten Tag ist der Plan für die Rodel fertig. Der Blick aus dem Fenster macht die beiden Mützlinge aber traurig. Der heutige Regen hat schon fast die ganze weiße Pracht weggefressen.

 

Herta Ditz