Texte aus der Schreibwerkstatt

Lesen

 

BÜCHER

 

Bücher interessierten mich immer. Als ich noch nicht lesen konnte, saß ich neben meinem Großvater, oder auf seinen Knien, und er las mir vor. Meistens nahm er ein Lexikon, bebildert mit Schwarz-Weiß Zeichnungen aus verschiedenen Wissensgebieten. Die Bilder aus dem Völkerkundelexikon beeindruckten mich natürlich sehr, die exotisch aussehenden Menschen, inmitten ihrer Dörfer, bei verschiedenen Tätigkeiten. In anderen Bänden waren Entdeckungen, z. B.  der Elektrizität, Erfindungen, z. B. des Blitzableiters, Dampflokomotiven, Taucherkugeln, Dämme, Tunnels, dargestellt. In naturgeschichtlichen Büchern sah ich Bilder von Kraken der Tiefsee, Walen, Elefanten, Urwäldern, und so weiter. Die Abbildungen erklärte mir mein Großvater wahrscheinlich kindgerecht, dass er mich geistig nicht überfordere, und das auch an meinem Interesse merkte. (Man stelle sich vor, diese Lexika entsprachen dem Wissen und dem damaligen Zeitgeist, der Wende vom 19. Zum 20. Jahrhundert. Großvater wurde 1874 geboren und liebte diese alten Bücher.) Er war sicher stolz auf diese Bände, denn Bücher waren damals sehr teuer.

Später dann, als Schulkind in einer privaten Mädchen Volks- und Hauptschule der Franziskanerinnen, war dem Lesen kein Einhalt geboten. Nicht nur, dass meine Mutter Bücher liebte und viele besaß, sondern auch die Schule, der Buchklub der Jugend, förderte das Interesse an Büchern. Meine beste Freundin damals (und auch heute) war wie ich, eine „Schnellleserin“. Es gab kein Weihnachtsfest ohne Buchgeschenk. In meiner Erinnerung nahm ich kurz nach der Bescherung das Buch zur Hand und las und las…das Geschehen in der Familie nahm ich kaum mehr wahr. 

Ich liebte (fast) alles Lesbare, Märchen, Sagen, viele Karl May Bände, Kriminalromane, (Edgar Wallace), historische Romane, klassische Erzähler und später dann, berufsbedingt, psychologische und sozialpolitische Werke.

Durch den schönen Beginn des eigenen Familiengeschehens, Firmengründung, Hausumbau, trat das Lesen vorerst in den Hintergrund, um durch die eigenen Kinder wieder neu zu erstehen. (Meine erwachsenen Töchter mit ihren Familien greifen gerne zu ihren eigenen Kinderbüchern von damals.)

Mein Wunsch, in einem Raum des Hauses eine Bibliothek zu gestalten, erfüllte sich vor einigen Jahren. Die Bilder als Anhang möchte ich beilegen. Mit vielen dieser Bücher fühle ich mich verbunden. Sie sind ein Teil meiner Jugend, meiner Interessen, eine Erinnerung an die Eltern oder nahe verstorbene Verwandte. Oft sehe ich persönliche Widmungen auf den Innenseiten. Es finden sich dabei auch einige bibliophile Kostbarkeiten der Klassik, Politik, Geschichte, Jugendliteratur von einst (1890), Kirchenlexika aus 1860, eine Urfassung der „Biene Maja“ (1900), als Beispiele zu meiner Freude.

Es gibt Momente, in denen ich zur vollen Entspannung nach Lieblingsbüchern meiner Kindheit und frühen Jugend greife.

Es sind dies die die „Dolomitensagen“, mit ihren archaischen Berichten aus der Welt der Naturgeister, menschlicher Größe oder hinterlistigem Tun, Rache und Gnade, Glück und Leid im Lebenslauf des Daseins.

Mein Lesebuch „Aus da Hoamat“, das in der vierten Volksschulklasse als Zusatzlesebuch diente. Geschichten, Gedichte von den vier Vierteln unseres Heimatlandes und im Schlussteil in gotischer Schrift, Sagen aus Oberösterreich.

Da das Buch Spuren des „Zerlesenseins“ bereits vor etlichen Jahren zeigte, ließ ich es neu binden und es fand seinen Platz in der Bibliothek.

 

Dann gibt es noch ein abgegriffenes Buch aus dem Jahre 1910 "Alle guten Geister". Unheimliche Geschichten aus der Gegend des bayrischen Waldes. Ich sehe es auch als ein Sittenbild der damaligen Zeit. (Nach diesem Buch greife ich nur manchmal und nur dann, wenn ich nicht alleine im Haus bin!)

Ich meiner Jugend las ich auch gerne die Novellen von Theodor Storm. (Mit meinem Mann reiste ich 1998 nach Husum, dem Geburtsort von Storm.) Wir durchquerten Schleswig-Holstein und fanden Stellen, an denen bestimmte Novellen spürbar wurden.

Storm schrieb auch ein Märchen „Die Regentrude“. Das ist für mich mein Lieblingsmärchen. Unser jetziger Klimawandel ist vergleichbar mit dieser damaligen Katastrophe, einer großen Dürre im Lande Schleswig.

Natürlich lese ich immer wieder zwischendurch Gedichte, liebe Thomas Bernhard, Stefan Zweig, Hermann Hesse, Ransmayer, Mitterer….

Die Bücher von Brita Steinwendtner stehen gesammelt in der Bibliothek. Ich kenne und schätze sie persönlich.

Ich kannte auch Thomas Bernhard persönlich, aber das ist schon lange her. Mehrere Bücher habe ich von ihm, eines davon mit persönlicher Widmung.

Meine Büchergeschichten nahmen nun an Umfang zu. Ich denke, die Freude daran führte jetzt Regie!

 

Christine Essl, Attnang-Puchheim