Texte aus der Schreibwerkstatt

Was ruft, was lockt sie, diesen Weg zu nehmen …?

Urgroßvater

 

Als ich vor 10 Jahren der Liebe wegen nach Australien gegangen bin, war ich fest davon überzeugt, über Australien Tierwelt ausreichend zu wissen. Ich wusste, es gab die giftigsten Schlangen der Welt dort – also nicht mehr barfüßig in der Wiese laufen; ich wusste, es gab sehr giftige Spinnen, die sich vorzugsweise unter dem Klodeckel aufhalten – also immer unter den WC-Deckel sehen; ich wusste, mit Dingos ist nicht zu spaßen, aber ich zog ja schließlich nicht ins Outback. Tja und auf die Koalas und Kängurus freute ich mich.

Also startete ich mein Leben voller Freude und mit viel Unwissen im neuen Kontinent. Heute erstaunt es mich, mit wie viel Naivität und Grundvertrauen ich von der nördlichen in die südliche Hemisphäre wechselte.

Unser Haus stand auf eine Sanddüne und da konnte ich immer wieder alle möglichen Spuren finden. Manche vom Wind erzeugt, manche von Menschen und Tieren, manche konnte ich überhaupt nicht erklären. Immer wieder sah ich zarte „Fußabdrücke“ und mittig dahinter einen länglichen mittel-breiten Strichabdruck. Er war ziemlich breit im Vergleich zu den zarten Fußabdrücken.

Als ich eines Tages hinter das Haus ging, um den Garten zu gießen, hatte ich DIE Begegnung. Ich ließ meinen Gartenschlauch fallen, rannte ins Haus, satze mit riesigen Schritten die Stiegen hinauf und schrie: „Romney, Romney, da ist ein Drache hinterm Haus.“ Romney lachte natürlich, nahm mich an der Hand und gemeinsam gingen wir dem Drachen entgegen. Es war ein Blauzungenskink – RIESIG groß mit zarten feingliedrigen Füßen und einem dreieckigen, länglichen Schwanz. Er war wohl der Urgroßvater aller Blauzungenskinks! Er saß da in voller Pracht. Seine glatte silbrige, runzelige Haut funkelte in der Sonne und es ging ihm gut. Er hatte keine Angst und machte auch keine Anstalten sich davon zu bewegen.

Erst jetzt merkte ich, dass wir in größerer Gesellschaft waren. Unsere Katze und der Hund der Nachbarn saßen beide in respektvollem Abstand und machten keine Anstalten sich dem Blauzungenskink zu nähern, ihn neugierig zu untersuchen oder mit ihm zu spielen. Auch die Lori-Papageien und die Raben saßen in sicherem Abstand auf den Bäumen – alle schwiegen. Weder die Lori-Papageien, die mit ihrem Gruppenkonferenzen auf unseren Bäumen mit ihrem Gezirpe so laut waren, noch die Raben, die uns mit ihrem Krähen früh morgens aufweckten, noch der Nachbarhund, der jedem Vogel nachbellte, noch unsere Katze, die alles an-miaute, was ihr in die Nähe kam und auch der Blauzungenskink war stumm – genau wie wir großen Menschen. Jeder schaute, beobachtete und hatte einmal nichts zu sagen oder zu tun.

Susanne S., Geelong, Australien


Murphy

 

Fast wäre es heute ein ganz normaler Tag geworden, wenn ich nicht eine andere Strecke als gewöhnlich genommen hätte. Manchmal trifft man eine klitzekleine, völlig unbedeutende Entscheidung – und sie verändert ein ganzes Leben. Und so kam es:

Murphy rannte laut bellend den Küstenweg entlang, an dem wir gerade unsere Morgenrunde machten. Was regte ihn so auf? Hätte ich ihn nur nicht von der Leine genommen. Ich rief laut seinen Namen, doch er reagierte gar nicht auf mich. Also versuchte ich, ihm so schnell, wie es mir möglich war, hinterherzurennen. Plötzlich blieb er stehen und bellte den Abhang hinunter. Als ich endlich bei ihm ankam, nahm ich ihn sofort an die Leine. Erst dann schaute ich, was es dort zu sehen gab. Weiter unten waren Schafe zu sehen, die im grünen Gras weideten. Sie blökten aufgeregt und wirkten sehr unruhig.

Ich versuchte, zu erkennen, was dort los war, aber ich konnte nichts Außergewöhnliches entdecken. Das Meer war heute recht ruhig, es bewegte sich in glitzernden Wellen. Murphy war immer noch außer sich. Ich strich ihm über den Kopf, versuchte, ihn zu beruhigen. Schließlich liefen wir weiter. Es war herrlich, die frische Seeluft einzuatmen und die Wärme der Sonne im Gesicht zu spüren. Einfach nur gute Luft zu atmen, das war schon die pure Lebensfreude.

Ich beließ Murphy an der Leine, schließlich war es hier vorgeschrieben und ich wollte keinen Ärger haben. Er schnüffelte hier und da und ich konnte spüren, wie sehr er es genoss, hier draußen unterwegs zu sein. Während wir weiter liefen, hing ich meinen Gedanken nach. Mir kam in den Sinn, wie viel Angst ich früher vor Wespen hatte. Hier waren keine Wespen, sondern Bienen, die geschäftig zwischen den Blüten der üppigen Pflanzen hin und her flogen. Fast meinte ich, sogar ein leises Summen zu hören.

Vor uns tat sich eine Wegbiegung auf. Murphy rannte nach links und damit war die Sache entschieden, wir liefen auf der Abzweigung weiter. Nach einer Weile wurden die Gräser und Büsche höher, die Luft wurde wärmer, je mehr wir uns von der Küste entfernten. Auf dem Küstenweg mit seinem schönen Blick aufs Meer hatte ich mich wohler gefühlt und ich beschloss, bei der nächsten Gelegenheit wieder dorthin zu wechseln. Kaum hatte ich diesen Entschluss gefasst, blieb Murphy wie angewurzelt stehen und bellte in einen großen Busch hinein. Was war denn jetzt schon wieder? Ich ging etwas näher, hörte ein Rascheln, dann ein lautes Brummen.

Während ich noch überlegte, ob ich diesen Geräuschen auf den Grund gehen sollte, kam ein kleiner Waschbär aus dem Gebüsch geschossen und rannte hektisch auf die gegenüberliegenden Büsche zu, wo er wieder verschwand. Murphy bellte währenddessen wie verrückt und zerrte an der Leine. Ich gab ihm zu verstehen, dass es jetzt weitergeht und er folgte mir ohne Widerstand. Kaum waren wir einige Meter gelaufen, sah ich einen Mann, der ausgestreckt auf dem Grasboden lag. Wie er da so lag, war mir sofort klar, dass etwas passiert sein musste. Ich beugte mich zu ihm hinunter, sprach ihn an, doch er reagierte nicht. Er sah aber nicht so aus, als sei er tot. Vorsichtig rüttelte ich an seiner Schulter. Ich zog mein Mobiltelefon aus der Jackentasche, um die Polizei anzurufen. Keine Verbindung hier draußen. Was sollte ich nun tun? Murphy, der den Mann schon gründlich beschnuppert hatte, sah mich vertrauensvoll an und setze sich neben mich.

Erst jetzt sah ich die Pistole in der linken Hand des Mannes. Sollte ich bleiben oder lieber wegrennen? Ich entschied mich für letzteres und sah zu, dass Murphy und ich schnell wieder zurück zum Dorf gelangten. Endlich konnte ich die Polizei benachrichtigen und schildern, wo ich den Mann gesehen hatte. Sie würden später noch bei mir vorbeikommen für eine persönliche Befragung. Nach diesem Erlebnis kochte ich mir erst einmal eine Tasse Tee und legte mich auf das Sofa.

Zwei Stunden später kam die Polizei zu mir. Sie hatten den Mann gefunden und ich erfuhr, dass es um einen lange gesuchten Auftragsmörder handelte, der seinem Opfer an jener Stelle auflauern wollte, wo ich ihn gefunden hatte. Er hatte nicht damit gerechnet, dass auf diesem einsamen Weg noch andere unterwegs waren und wollte sich verstecken, als er Murphy und mich von weitem hörte. Dummerweise sah er die Wespe nicht, die ihn just stach und seinen Kreislauf zum Kollaps führte. Inzwischen war er im Krankenhaus und sein potentielles Opfer hatte dank dieser Verkettungen sein Leben behalten. Morgen würde ich wieder meine übliche Route mit Murphy laufen, ganz ohne Umwege.

Rihab D., Offenbach am Main, Deutschland


SPURENSUCHE

 

Spuren

Spuren im Schnee

für die, die nach uns kommen,

für die, die nach uns lernen,

für die, die nach uns lieben.

 

Ein Wegweiser

zum afrikanischen Ursprung

wie ein DNA-Strang,

eine eingeflochtene Strähne.

 

Ein Abdruck,

der tiefer geht,

dich verwurzelt.

Du wächst standhaft.

 

Spuren

Spuren am Horizont,

egal, wo du bist,

egal, wann du bist,

geleiten dich zu mir zurück.           Michaela H., Micheldorf


TIERE, TIERLAUTE, SPUREN......

Majestätisch schwingt A sich in die Lüfte - nicht ohne vorher den Blick scharf und genau in alle Richtungen gewandt zu haben. Oh! Wie schön!! Dieses Hinaufschwingen und Hinabtauchen, sich fangen und dieses Lust- und Luftspiel von Neuem zu beginnen. Die Luft pfeift an ihm vorbei, er spürt und hört sie in den Schwingen, an deren Enden, wo sie durchblasen kann. Herrlich, die eigene Kraft, Größe und Leichtigkeit zu spüren, zu wissen, nahezu unbesiegbar zu sein, auch präsent, wild und klar. Heute kein Hunger, heute nur Lust am Steigen und Fallen. Doch da: was hört er? Ein trauriges, eintöniges TRÜÜÜT in regelmäßigen Abständen. Nie zuvor hat er diesen Ruf gehört. Gerade überfliegt er ein Moorgebiet, das grösste Hochmoor weit und breit. Wer hat sich hierher verirrt? Und warum immer dieses TRÜÜÜT, das von Mal zu Mal aufgeregter klingt? A kreist langsam über der vermuteten TRÜÜÜÜT-Stelle. Ein seltener Vogel, ein R, vom Aussterben bedroht, hat sich hierher verirrt. Vielleicht will er mit seinem Klageruf einen Hinweis geben? A schärft seinen ohnehin scharfen Blick - DA! Nun muht es kraftlos im Sumpf - A entdeckt eine K, die sich hinein verirrt hat! TRÜÜT, TRÜÜÜT, TRÜÜÜT, MUH, MUH, MUH!!! Was für ein Trauerkonzert! A, der Individualität liebt und gern allein seine Schwingen ausbreitet, spürt eine leichte soziale Regung. K sind sehr nützliche Tiere, er kennt sie von den Sommerweiden auf der Alm. A weiß, dass es irgendwo einen Senn gibt, dem die jungen und erwachsenen K anvertraut sind. Wie den hierherbringen? Und kann er helfen? Von dem TRÜÜÜT und MUHHH-Geschrei wacht nun ein U auf, erstaunt blinzelt er herum. Zuerst öffnet sich ein Auge, dann das andere. Der Kopf dreht sich beinahe im Kreis - oh Schreck!!! Ein mächtiger A breitet über ihm und neben ihm seine Flügel aus! Er scheint U einzuladen, mit ihm zu kommen.... Nun denn, es ist zwar Tag, aber U will sich nicht lumpen lassen. Er fliegt - auch nicht gerade klein, hinter A her. Bald hören sie ein Bellen - der schwarz-weiße H des Senns. Ihn erschrecken sie ein wenig, sodass er bellend und jaulend zur Hütte seines Herrn läuft. Dieser tritt vor das hölzerne Häuschen und traut seinen Augen nicht - WAS IST DAS? Ein rasender H, ein U am Tag und dazu A - so etwas Eigenartiges in dieser Kombination hat er noch nie gesehen! Was ist das, was will diese außergewöhnliche Tier-Mischung? A und U jagen den H in eine bestimmte Richtung, der kräftige und nun hoch motivierte Senn folgt ihnen. Da vorn beginnt schon das Moor - was wollen diese besonderen Vögel ihm zeigen? Ein schrilles TRÜÜT - TRÜÜÜT und ein leises MUHHH dringen an sein Ohr. Mit einem Blick erfasst er die Unglückssituation - Gott sei Dank sind von der Holzarbeit noch Bretter übrig und an einer alten Fichte hängt ein Seil, das die Forstarbeiter zu deren Abtransport benötigen. Der Senn kann beides gut gebrauchen, legt die Bretter unter dem anhaltenden TRÜÜÜT in das Moor, robbt darauf bis zur K und befestigt das Seil an ihrem Körper. Im Zurückrobben zieht er vorsichtig, aber sehr kräftig am Seil und gibt der K damit die Richtung vor. Mit vieler Mühe, schwitzend, keuchend und unter Aufbietung all seiner Kräfte zieht er die K Zentimeter um Zentimeter ins Trockene. Das TRÜÜT, TRÜÜÜT klingt nun sanfter, leiser - als würde R schon einschlafen.... Der H stellt sein Bellen ein, der U zieht sich in eine alte Riesentanne zurück und der A schwingt sich in aller Unabhängigkeit und Freude in die Lüfte..... 

 

Zeichenerklärung: A - Adler, H - Hund, K - Kuh, R - Rohrpfeifer, U - Uhu

 

Maria E.-Sch., Graz


 

 

Spuren einer Liebe

 

Sanft über dein Herz getanzt

trippelnd deine Seele berührt

Spuren meiner Liebe zu DIR.

 

Über dich drübergetrampelt

deine Seele mit Füßen getreten

Spuren meiner Liebe zu MIR.

 

Lilli S., Wartberg