Texte aus der Schreibwerkstatt

Meine beste Freundin

 

Gabriele

 

Gabriele lernte ich durch einen Zufall kennen. Wir waren damals ungefähr zwölf Jahre alt, besuchten gemeinsam die siebte Klasse eines Gymnasiums und hatten bisher noch nicht viel miteinander zu tun gehabt. Das änderte sich, als Gabrieles „beste Freundin“ Antje und meine „beste Freundin“ Christine zur gleichen Zeit mit ihren Eltern in den Sommerurlaub fuhren, während Gabriele und ich daheim sein würden. Ich weiß nicht mehr, wie es dazu kam und wer den Vorschlag machte, aber Gabriele und ich verabredeten uns während dieser Zeit für einen gemeinsamen Tag im Freibad. Weitere Treffen folgten. Wir entdeckten, dass wir beide viel besser zueinander passten, als es mit Antje und Christine jeweils der Fall war. Die beiden staunten später nicht schlecht, als sie erfuhren, dass Gabriele und ich uns während ihrer Abwesenheit angefreundet hatten! Es dauerte nicht lange, bis die „besten Freundinnen“ einen Rollentausch erlebten. Nun waren Gabriele und ich sowie Antje und Christine beste Freundinnen und alle waren damit zufrieden. Von den gemeinsamen Interessen und vom Wesen her passte es einfach viel besser.

Rund vierundvierzig Jahre später ist Gabriele noch immer ein wichtiger Teil meines Lebens, wird es immer bleiben. Wir wissen sehr viel voneinander, können einander vertrauen und uns aufeinander verlassen, haben viele Höhen und Tiefen erlebt und miterlebt, uns geliebt und gestritten, einander Halt und Sicherheit gegeben, viele schöne Reisen zusammen unternommen, eine Wohnung miteinander geteilt. Gabriele war für mich da, als meine Mutter an Krebs erkrankte, als ich fünfzehn war. Sie war an meiner Seite, als meine Mutter vier Jahre später verstarb und ich das Gefühl hatte, ins Bodenlose zu fallen. Sie ist die einzige Freundin, die meine sämtlichen Familienmitglieder kennt, von denen fast alle mittlerweile verstorben sind. Gabriele war immer ein Sonnenschein für mich. Wie ein guter Engel, der in mein Leben trat und sagte: Keine Sorge, alles wird gut!

Ich bin sehr dankbar für diese Freundschaft, die es geben wird, solange wir leben.

Rihab D.,  Offenbach am Main, Deutschland


Maria

 

Wir wuchsen Haus an Haus auf. Maria war eineinhalb Jahre jünger als ich, und es verging kaum ein Tag, an dem wir uns nicht sahen. Ich weiß heute noch ihre damalige Telefonnummer. 2564. Obwohl unsere Häuser kaum 200 Meter voneinander entfernt standen, war es manchmal doch notwendig, uns gegenseitig anzurufen. Wir verbrachten viel Zeit im Freien, bauten Häuser im Wald, streiften dort stundenlang auf der Suche nach Schwammerln herum, erzählten uns gegenseitig Schauergeschichten, nähten Puppenkleider, heckten gemeinsam Streiche aus, fuhren zusammen Schi, nachdem wir vorher die Piste mühsam gestaffelt hatten, übernachteten gemeinsam einmal bei ihr, einmal bei mir und waren später beide leidenschaftliche Abba-Fans. Als Maria dann mit vierzehn zu ihrer Tante nach Graz zog, um dort die „Kindergärtnerinnen-Schule“ zu besuchen und wir uns unter der Woche nicht sahen, schrieben wir uns seitenlange Briefe.

Wenn eine von uns in den Ferien einmal länger nicht da war, weil sie eine Freundin oder Cousine besuchte, fühlte sich die andere etwas einsam und zählte die Tage, bis die Freundin wieder zurück war. An eine Episode erinnere ich mich besonders: Maria und ich waren wohl beide in der Volksschule, Maria, sehr musikalisch, lernte Akkordeon. In den Ferien kam es manchmal vor, dass sie zu einer bekannten Familie ihrer Großeltern in die Weststeiermark fuhr, die auch ein kleines Mädchen hatten. Ich sah von unserem Balkon aus, dass ein großer, blassgrüner Mercedes bei ihnen im Hof stand und Maria und das Akkordeon mitnahm. Das Ganze war mir etwas suspekt. Ich selber kannte diese Familie, die mir meine Freundin wegnahm, nicht, und Maria erwähnte sie das ganze Jahr über kaum. Als Maria zurückkam, erzählte sie voller Stolz, wie toll es dort war, welch köstliche Speisen ihr serviert wurden, und welch wundersame Spielsachen es dort gab.

Viele Jahre später kam ich dem Geheimnis auf die Spur. Bei der Vorstellungsrunde in meinem ersten Job in der Firma, in der ich auch jetzt wieder arbeite, lernte ich gleich den Vater dieses Mädchens kennen. Als Harald, damals Versandleiter, erfuhr, dass ich aus Obergroßau komme, kam er gleich ins Schwärmen. „Ja, die Familie König, die kenne ich gut. Meine Eltern bekamen im Krieg von ihnen Lebensmittel, und seit damals besuchen wir sie immer wieder.“ Allerdings hätten sie sich schon lange nicht mehr gesehen, und es wäre höchste Zeit, wieder einmal nach Obergroßau zu fahren. Der Zufall wollte es weiter, dass später, nach Haralds Ausscheiden aus der Firma, auch seine Tochter meine Kollegin wurde und noch immer ist. Seit neun Jahren sitzen Bettina und ich im selben Büro, sehen uns also fast täglich und teilen Sorg und Leid. So schließt sich der Kreis.

Mit Maria bin ich noch immer in Kontakt. Wie jede gute Freundschaft zeichnet sich aus unsere dadurch aus, dass sie Zeiten der Distanz überdauert hat und jetzt noch tiefer ist. Wir treffen uns regelmäßig, meist zum gemeinsamen Frühstück. Unsere Zusammenkünfte sind mittlerweile zu einem Ritual geworden und fixer Bestandteil in unser beider Leben. Wir sehen unsere lebenslange Verbindung als wahren Schatz, den wir beide hüten und sorgsam behandeln.

 

Karin K., Haselsdorf